Ostern – so bunt wie die Welt
Man muss die Feste feiern, wie sie kommen – oder wie es die Tradition gebietet. Das gilt auch für Ostern. Denn wer denkt, der Osterhase bringt überall die Eier, wird sich gleich ganz schön verschaukelt fühlen.
Knutschen zum russischen Osterfest
Im orthodoxen Russland begehen fast alle Menschen das Osterfest mit der Familie, dem Freundeskreis und einem reich gedeckten Tisch. Vor dem Fest machen alle einen riesigen Frühjahrsputz und die meisten Russ*innen besuchen die Banja, ein Badehaus. Nach der gründlichen Reinigung dient der Karfreitag der Trauer und am Samstagabend geht es schließlich in die Messe. Einen besonderen Platz nimmt die Ostermesse in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale ein, die auch im russischen Fernsehen bzw. im Internet live übertragen wird. Sie dauert die ganze Samstagnacht an. Viele Besucher*innen und alle Geistlichen tragen weiße Kleidung und rote oder weiße Tücher auf dem Kopf. Nach Mitternacht beginnt eine Prozession durch und um die Kirche und im Anschluss geht die Messe bis in den Morgengrauen weiter. Dabei müssen alle stehen, weil orthodoxe Kirchen nicht mit Bänken ausgestattet sind. Was für eine Qual!
Umso größer fällt dann das Festmahl am Sonntag aus. Eine wichtige Speise ist das traditionelle Osterbrot, genannt кулич [kulʲítsch], ein gewürztes Hefebrot, in dem oft Rosinen, Nüsse oder kandierte Früchte verarbeitet werden. Viele Gläubige nehmen ihr Osterbrot und gefärbte Eier am Samstag mit in die Kirche – nicht zum Essen, sondern zur Weihe! Apropos Eier: In Russland werden diese sehr aufwendig mit wunderschönen Ornamenten verziert. Auch geküsst wird sich an Ostern, und zwar so viel, dass es ein eigenes Verb dafür gibt: христосоваться (khristosovat’sya). (Nicht nur) orthodoxe Christ*innen küssen sich beim Ostergruß drei Mal.
Das All-American Osterkörbchen
Vorfreude ist die schönste Freude. Das gilt in den USA auch zu Ostern. Denn was gibt es Schöneres als am Ostermorgen aufzuwachen und angeknabberte Karotten sowie eine Botschaft vom Osterhasen höchstpersönlich vorzufinden?
Jedes Jahr beginnt zu Ostern für Millionen Amerikaner*innen der Tag mit der Jagd nach dem Osterkörbchen. Die Vorfreude darauf, den Korb zu finden, ist fast so groß wie das, was sich darin befindet – Süßigkeiten und kleine Geschenke! Und zwar alles von Marshmallow Peeps über Reese’s Peanut Butter Eggs bis hin zu pastellfarbenen Schokoladen-Robin-Eiern. Süßigkeiten über Süßigkeiten ist tatsächlich das Erste, was einem einfällt, wenn man an Ostern in den Vereinigten Staaten denkt. Es gibt sogar einige, die behaupten, die Ostersüßigkeiten sind besser als die, die man zu Halloween abstauben kann …
Rot, hell und fröhlich – Ostern in Georgien
In Georgien müssen sich Familien meist etwas länger bis zum Osterfest gedulden als in anderen christlichen Ländern, denn im christlich-orthodoxen Kalender finden Feiertage um bis zu 13 Tage später statt. Dann aber wird groß gefeiert, denn Ostern ist in Georgien das wichtigste kirchliche Fest des Jahres.
Der Karfreitag heißt auf Georgisch „Roter Freitag“ und erinnert an das Blut Jesu. Traditionell färbt an diesem Tag jede Familie Eier mit Krapp-Wurzeln blutrot. Wenn am Sonntag das Fasten gebrochen wird, stößt man mit den roten Eiern an wie mit einem Bierkrug. Das Ei ohne Sprung gewinnt! Dazu ertönt der Ostergruß: „Kriste Aghsdga!” (Christ ist auferstanden) und die Antwort: „Tscheschmaritad!” (Wahrlich, das ist er!).
Der Ostersamstag steht im Zeichen des heiligen Feuers, das von Jerusalem über die Kirchen Georgiens bis ins heimische Wohnzimmer getragen wird. Dazu backt man das das Osterbrot „Paska”, ein Hefegebäck aus Weizenmehl und Rosinen. Den krönenden Abschluss bildet der Ostermontag, den Familien gemeinsam auf dem Friedhof verbringen. An diesem Tag bringt man den Verstorbenen Eier, Paskabrot und Wein und leistet ihnen einen ganzen Tag lang Gesellschaft. Da viele Familien mitmachen, kommt es zu fröhlichen Zusammenkünften bekannter Gesichter bei Wein, Musik und leckeren Speisen, die einen schönen Nebeneffekt haben: Sie nehmen Kindern den Schrecken vor dem sonst eher düsteren Friedhof und tauchen diesen in ein freundliches und helles Licht.
Der irische Osterhering
In einem Land, das noch bis vor wenigen Jahrzehnten von religiösen Traditionen nur so durchdrungen war, wird Ostern in Irland zwischen dem Besuch der Messe, dem Treffen mit der Familie und dem Sattwerden mit viel zu viel Essen gefeiert.
Von Gründonnerstag und Karfreitag über Ostersonntag und Ostermontag wird gefuttert wie die Weltmeister. Noch interessanter ist, dass Metzger*innen eine Pseudo-Prozession abhalten, in der sie einem verstorbenen Hering huldigen, um so die Fastenzeit zu brechen. Man kann sich vorstellen, dass sie für das Festmahl am Ostersonntag Lammfleisch zuhauf verkaufen. Schließlich muss es für ein Land, das damals stark von der Viehzucht abhängig war, ziemlich hart gewesen sein, sechs Wochen lang auf Fleisch zu verzichten.
Rund, bunt und verrückt: Sorbische Ostereier
Die Sorben sind eine kleine sprachliche Minderheit im Grenzgebiet zwischen Brandenburg und Sachsen, ganz im Osten Deutschlands. Und was das Osterfest angeht, sind die Sorben ein bisschen verrückt. Sympathisch verrückt! Denn das, was sie zu Ostern mit ihren in der Fastenzeit aufgesparten Eiern machen, ist – nun ja – genial verrückt.
Doch der Reihe nach: Mit Bienenwachs, Federkielen, Kerzenlicht und viel, viel Geduld machen die Sorben aus ihren Ostereiern tupfend, malend und kratzend kleine Kunstwerke. Im Falle der Wachstechnik läuft das wie folgt ab: In einem ersten Schritt werden die gekochten Eier mit flüssigem Bienenwachs betupft. Dazu werden speziell zugeschnittene Gänsefedern oder Stecknadelköpfe in Sekundenschnelle immer wieder in heißes Wachs getaucht, um auf der Eioberfläche ein Muster zu hinterlassen. Der Trick: Legt man das Ei jetzt in Farbe, dann werden nur die Stellen gefärbt, die vom Wachs unberührt geblieben sind. Ist das Ei getrocknet, geht es weiter mit Runde zwei: Heißes Wachs auftragen und in eine andere Farbe legen. Jetzt hat das aufgetragene Wachs die Farbe aus dem ersten Färbedurchgang konserviert. Und so weiter und so fort. Es kann Stunden dauern, bis ein sorbisches Osterei vollendet ist.
Doch damit ist es noch nicht fertig. Denn das Wachs, was zuvor in mühevoller Kleinarbeit aufgetragen wurde, muss jetzt wieder runter. Das heißt, das Wachs wird an einer offenen Kerzenflamme wieder verflüssigt und abgewischt. Am Ende dieser mehrstündigen Prozedur liegt dann ein wundervoll-glänzendes, kleines Kunstwerk im Osternest.
Und was passiert dann? Ganz einfach: Es wird aufgeschlagen und gegessen. Verrückt, oder?